Im Batteriebereich geht es nie nur um die aufgedruckte Kapazität. In der Praxis zeigt sich: Selbst wenn zwei Akkus mit 12 V 100 Ah gekennzeichnet sind, liefert LiFePO₄ (Lithium-Eisenphosphat) oft deutlich mehr tatsächlich nutzbare Energie als Blei-Säure, Gel – und sogar manche NMC-Systeme. Das liegt an Zellchemie, Entladekurve, Innenwiderstand, Thermik, Sicherheitsfenstern und dem Batteriemanagement. Dieser Leitfaden erklärt die ingenieurtechnischen Ursachen hinter der höheren realen Ausbeute von LiFePO₄.

1. Nennkapazität vs. nutzbare Kapazität

Um zu verstehen, warum gleich etikettierte 100-Ah-Akkus so unterschiedlich performen, müssen zwei Begriffe sauber getrennt werden:

Begriffe klar trennen

Nennkapazität (Rated Capacity): Laborwert unter Standardbedingungen, z. B. 0,2 C Entladestrom, 25 °C, definierte Abschaltspannung, neue Zelle.

Nutzbare Kapazität (Usable Capacity): Das, was Anwender im Alltag wirklich entnehmen – beeinflusst durch Entladerate, Temperatur, BMS-Eingriffe, Innenwiderstand, Alterung und gewählte Abschaltspannung.

In realen Anwendungen kommen 100-Ah-Bleiakkus oft nur auf 50–60 % nutzbar, LiFePO₄ hingegen stabil auf 90–100 %. Hier beginnt der Abstand.

2. Plattformförmige Entladekurve von LiFePO₄

Ein Schlüsselvorteil von LiFePO₄ ist die sehr flache, stabile Entladekurve. Typisch bleibt die Packspannung extrem lange zwischen etwa 13,3 V und 12,4 V und fällt erst nahe ≈ 10 % SOC zügig ab. Blei/Gel dagegen sinkt die Spannung kontinuierlich; Geräte mit Unterspannungsabschaltung (z. B. Wechselrichter) schalten dadurch früher ab, obwohl noch Kapazität vorhanden wäre.

Technologie Wann stoppen Geräte typ.? Tatsächlich nutzbar
Blei-Säure um ≈ 12,0 V ist Schluss ≈ 50–60 %
Gel etwas besser als Blei, dennoch frühzeitiger Abfall ≈ 60–70 %
LiFePO₄ lange Plattform bis nahe ≈ 10 % SOC ≈ 90–100 %

Je länger die Plattform, desto größer die nutzbare Energie. Bei identischen 100 Ah liefert LiFePO₄ deshalb spürbar längere Laufzeiten.

3. Niedriger Innenwiderstand = höhere Energieausbeute

Innenwiderstand wird oft unterschätzt, beeinflusst die Praxis aber massiv. Typische Größenordnungen:

  • Blei-Säure: ≈ 5–20 mΩ
  • Gel: ≈ 3–8 mΩ
  • NMC: ≈ 2–5 mΩ
  • LiFePO₄: ≈ 0,5–1,0 mΩ

Je geringer der Innenwiderstand, desto kleiner der Spannungsabfall bei Last, desto geringer die I²R-Verluste (Wärme), desto stabiler die Spannung – und desto mehr Energie landet wirklich am Verbraucher. Beispiel: Bei 50 A Last kann ein Bleiakku auf ≈ 11,8 V absacken (Motor/Wechselrichter brechen ein), während ein LiFePO₄-Pack oft ≈ 12,6–12,8 V hält.

4. Entladetiefe (DoD) und Lebensdauer

Systeme unterscheiden sich stark darin, wie tief sie regelmäßig entladen werden dürfen:

Technologie Empf. DoD Tiefentladung machbar? Begründung
Blei-Säure ≈ 50 % Nein Starke Schädigung bei Tiefe, schnelle Alterung
Gel ≈ 60–70 % Eingeschränkt Chemische Limitierungen bleiben
NMC ≈ 80 % Begrenzt Tiefe Zyklen beschleunigen Degradation
LiFePO₄ ≈ 90–100 % Ja Sehr stabile Struktur, geringe Nebenreaktionen

LiFePO₄ ist strukturell stabil, produziert kaum Sauerstoff, vermeidet Elektrodenkollaps und zeigt nur langsamen Impedanzanstieg. Das führt zu hohen Wirkungsgraden (≈ 95 %+) und langen Zyklenzahlen (≈ 5000–8000) – die nutzbare Energie bleibt über Jahre hoch. Blei liegt oft nur bei ≈ 300–500 Zyklen und 70–80 % Effizienz.

5. Temperatureinfluss: LiFePO₄ bleibt in der Kälte nutzbar

Temperatur kostet alle Akkus Kapazität – aber nicht gleichermaßen:

Temperatur „Normale“ Systeme LiFePO₄
25 °C ≈ 100 % ≈ 100 %
0 °C ≈ 40–50 % ≈ 70–80 %
−10 °C ≈ 20–30 % ≈ 60–70 % (Entladung)
−20 °C nahezu unbrauchbar ≈ 50–60 %

LiFePO₄ verliert bei Kälte deutlich weniger – und Varianten mit Selbstheizung können sogar bei tiefer Temperatur wieder normgerecht laden. Für Wohnmobil, Trolling-Boot und Outdoor-Speicher ist das ein praxisrelevanter Unterschied.

6. BMS-Management: jede Wattstunde sicher nutzbar

Ein gutes Batteriemanagementsystem (BMS) ist ein Multiplikator für nutzbare Energie und Lebensdauer:

Was das BMS leistet

  • Überlade-/Überentladeschutz: hält die Zelle im sicheren Spannungsfenster.
  • Zellbalancierung: minimiert Kapazitätsunterschiede zwischen Zellen.
  • Temperaturüberwachung: schützt vor Kälte-/Hitze-Schäden.
  • Überstrom/Kurzschluss: sichert hohe Lasten ab.

Ergebnis: stabile Spannung (Geräte schalten nicht vorzeitig ab), hohe Konsistenz der Zellen, längere Lebensdauer und verlässliche Leistung auch bei hohen Lasten (Wechselrichter, Klima, Trolling-Motor).

7. Fazit: Acht technische Gründe für die höhere Ausnutzung

  • Lange Plattformkurve: keine vorzeitigen Abschaltungen durch Spannungseinbruch.
  • Hohe DoD: ≈ 90–100 % regelmäßig nutzbar.
  • Sehr niedriger Innenwiderstand: stabil bei großen Strömen.
  • Hoher Wirkungsgrad: ein Großteil der eingeführten Energie wird nutzbar.
  • Kältekompetenz: geringere Kapazitätseinbußen im Winter.
  • Intelligentes BMS: optimale Spannungsfenster, Zellgleichlauf, Schutzfunktionen.
  • Stabile Chemie: minimale Nebenreaktionen, kaum Strukturkollaps.
  • Hohe Langzeitstabilität: nach 5–10 Jahren noch nahe der Nennkapazität.

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